Ingenieurskunst des ESB bei der Trinkwasserfassung
Das neue Seewasserwerk soll nicht nur heutigen Ansprüchen gerecht werden, sondern auch zukünftigen Herausforderungen begegnen können. Dazu gehört der ökologische und kosteneffiziente Schutz der Seeleitungen gegen den Befall der Quaggamuschel. Zusammen mit der Reinhart Hydrocleaning SA in Courroux (JU) und Hersche Konstruktionsbüro in Bolligen (BE) hat der ESB dazu einen weltweit einzigartigen Mechanismus entwickelt.
Veröffentlicht am 02.06.2023
Das bestehende Seewasserwerk, über das der ESB seine Kundschaft bis anhin mit Trinkwasser versorgt, hat seine Aufgabe erfüllt. Nach fast 50 Jahren Einsatz soll es einem neuen weichen. Das neue Seewasserwerk soll einwandfreies Trinkwasser für 70 000 Menschen liefern und 2024 ans Netz gehen. Modernste Aufbereitungsverfahren machen es zudem möglich, selbst polare Spurenstoffe wie Chlorothalonil-Metaboliten erheblich zu reduzieren.
Innovatives Reinigungskonzept bei der Wasserfassung im See
Zu dem Zeitpunkt, als sich die Planung des neuen Seewasserwerks konkretisierte, begann sich die invasive Quaggamuschel auch im Bielersee zu verbreiten. Für das Konzessions- und Baugesuch kam deshalb die Auflage des Kantons hinzu, ein Konzept zu erarbeiten, das einen effizienten und nachhaltigen Schutz der Leitungen vor dem Muschelbefall gewährleisten soll. Da der Einsatz von chemischen Desinfektionsmitteln nicht zulässig ist, drängte sich eine physikalische Reinigungslösung auf. Daraufhin entwickelte der ESB zusammen mit der Firma Reinhart Hydrocleaning SA und Hersche Konstruktionsbüro einen weltweit einzigartigen Mechanismus zur Reinigung der Infrastruktur im See. Dieser ist patentrechtlich geschützt.
Das System entfernt die Muschellarven aus den Leitungen und dem Seiher, bevor sich diese festsetzen und zu Muscheln entwickeln können. Folglich fällt auch kein Muschelgut zur Entsorgung an. Die Reinigung der Leitungen und der Infrastruktur im See erfolgt einmal im Monat vollautomatisch. Dadurch ist kein Einsatz von Tauchern, Booten oder Robotern notwendig, was wiederum die Kosten und Risiken in einem tragbaren Rahmen hält. Die beiden Leitungen werden alternierend gereinigt, so dass die Produktion während des Reinigungsverfahrens durchgehend aufrechterhalten werden kann. Ausserdem ist das System unabhängig vom Wetter funktionsfähig.
Das Reinigungsgerät für die Seeleitungen
Das Reinigungsgerät wiegt rund 1,5 Tonnen, hat die Form eines ca. 2 Meter langen Zylinders und ist mit Gummiringen bestückt. Es wird mit Wasserdruck durch die Leitung gestossen. Die Quaggalarven und Sedimente werden durch eine Bypass-Wasserströmung weggespült. Das Gerät wird in beide Richtungen eingesetzt, also von der Anlage zum See und umgekehrt. Für die Rückführung in die Anlage wird der Wasserdruck mit einer Hilfsleitung erzeugt, die nach dem Reinigungsverfahren mit aufbereitetem Wasser gespült wird, wodurch ein erneuter Befall durch Quaggalarven oder -muscheln verhindert wird. Das Gerät ist patentrechtlich geschützt und geistiges Eigentum der Firma Reinhart Hydrocleaning SA.
Das Seihersystem
Der Seiher ist eine Art Sieb, durch den das Seewasser in die Leitung gesogen wird und der verhindert, dass Fische und Gegenstände in die Leitung geraten. Er ist teleskopisch aufgebaut und kann ein- und ausgefahren werden. Beim Einfahren wird der Seiher durch einen Abstreifring gezogen, wodurch die Aussenseite gereinigt wird. Die Innenseite des Seihers wird in eingefahrener Position durch das Reinigungsgerät gesäubert. Durch dieses Teleskopsystem wird der Unterhalt vereinfacht und das ausfahrbare Element kann ohne grossen Aufwand für Revisionen ausgewechselt werden. Das Seihersystem ist patentrechtlich geschützt und geistiges Eigentum des ESB.
Für die nächsten 50 Jahre
Der ESB ist das weltweit erste Unternehmen, das eine rein mechanische Lösung gegen den Befall der Infrastruktur durch die Quaggamuschel einsetzt. Dieses System ist ein wichtiges Teilelement für eine sichere und zuverlässige Trinkwasserversorgung der nächsten 50 Jahre.